08-05-2025 (20:00)
Moderation: Cornelia Staudacher.
In beiden Geschichten nimmt uns der Autor mit auf eine Reise nach Bosnien, in die Randbereiche des Bosnienkrieges: Ein Mann und eine Frau besuchen die Eltern eines Freundes im bosnischen Hinterland, wo der Krieg bereits vorbei ist. Ihr Freund Abedin ist noch in Sarajevo als Scharfschütze im Einsatz. „Nach Bosnien? Bist du verrückt?“ fragt seine Frau, als sie von den Plänen ihres Mannes erfährt. Damit beginnt eine Reise in die bodenlosen Randbereiche eines Krieges, wo jedes Wort zu viel besagt und jede Geschichte schicksalhafte Züge trägt.
Jenseits jeder illusionistischen Erzählweise bezieht der Autor, der in diesem Stück Erde seit jeher seine zweite Heimat erkannte, sich fragend und kommentierend in das Geschehen mit ein. Er lässt Fragen zu, die er nicht eindeutig beantworten kann und kommt gerade dadurch der Problematik dieser historisch und mental in Generationen gewachsenen Situation auf bewegende Weise nahe. Am Ende bietet er verschiedene Schlüsse an und fordert seine Leserinnen und Leser damit auf, sich so weit auf die Geschichten einzulassen, als hätten sie sie selbst erlebt - um sie das Gewicht und die Erschütterung eines Krieges nacherleben und erfahren zu lassen, wie schwer es sein kann, klare, eindeutige Entscheidungen zu treffen - so wie es die Menschen, von denen er erzählt, erlebt haben. Sie lebten mitten im Krieg.
Ein Professor fährt mit seinen Studenten nach Den Haag zur Gerichtsverhandlung gegen den ehemaligen Präsidenten Jugoslawiens, Slobodan Milosevic, vor dem UN-Tribunal. Obwohl sie glauben, gut vorbereitet zu sein, müssen sie Erfahrungen machen, denen sie nicht gewachsen sind. Die Seminarexkursion entwickelt sich für alle Beteiligten zu einem Alptraum. Die beiden, zu verschiedenen Zeiten entstandenen Novellen führen auf unterschiedlichen Wegen in die Schrecken und Absurditäten von Kriegen, hier des Jugoslawienkrieges, hinein. Eine Thematik, die heute wieder von unübersehbarer Aktualität ist.
Herwig Roggemann, 1935 in Bremen geboren, studierte Rechtswissenschaften, Germanistik, Kunstgeschichte und slawische Sprachen in Göttingen, Freiburg und München. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher und Beiträge zu Rechts-, Politik- und Kunstfragen und lehrte in Berlin an der Freien Universität, in Osteuropa und andernorts. Er bereiste die Balkanländer und Osteuropa und ist Ehrenbürger der Stadt Split und Ehrendoktor ihrer Universität. Mit seiner zweiten Frau Marina Schnurre lebte er zeitweilig in Italien und Kroatien, jetzt in Berlin, wo sie unter anderem eine Galerie betreiben.