26-02-2013 (20:30)
Rainer Maria Gerhardt (1927-1954) war einer der Vorreiter,
als es darum ging, der deutschen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue
Orientierung zu geben. Der Fragmente Verlag, den er zusammen mit seiner Frau
Renate und mit Claus Bremer gründete, verfolgte ein schwindelerregend
ambitioniertes Programm. In der internationalen Revue für moderne Dichtung
fragmente publizierte Gerhardt Werke u.a. von Artaud, Miller, Creeley, Olson
und Pound. Gerhardts eigene Dichtungen sind an dieser Moderne geschult. Wegen seiner
„eigenwillig-spröden“ Pound-Übertragungen, von Benn als „saumäßig“
disqualifiziert, kam es bald zum
Zerwürfnis mit Benn und dem Limes Verlag, dem Benn seine Übersetzungen
angeboten hatte. Trotz Pounds Autorisierung, scheiterte Gerhardt auf der Suche nach einem deutschen Verleger.
Anerkennung oder ein nennenswertes Echo auf Gerhardts literarisches Programm,
an das später andere erfolgreich anknüpften, blieben aus. Mit 27 Jahren wählte
Gerhardt, finanziell ruiniert und literarisch isoliert, am 27. Juli 1954 den
Freitod.
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Der ebenso begabte wie gefährdete junge Mann hat sich für die Idee, die Dichtung, und zwar die anspruchsvollste und schwierigste Dichtung der Moderne aller Länder, ins Zentrum des geistigen Lebens zu rücken, buchstäblich aufgeopfert. (...). Er besaß nicht einmal die Andeutung einer Wohnung, sondern lebte während neun von zwölf Monaten des Jahres in seinem Zelt an den Landstraßen im Dreieck Paris - Zürich - Hamburg, ein alles andere als romantischer Nomade des Geistes. (...) Nun ist dieses Leben jäh erloschen - ausgelöscht vom eisigen Wind des wirklichen Hungers, der Schulden, der inneren Schwierigkeiten und von der Kälte des Wartens auf ein Echo, das er, ein sehr Ungeduldiger, nicht vernahm. Sein Werk ist weniger als ein Torso, aber mehr als ein »Verlag«. Er hat ein paar Zeichen signalisiert, die wichtiger sind als das meiste, was heute in Deutschland gedruckt wird. Aus dem Nachruf von Alfred Andersch zum Tode von Rainer Maria Gerhardt in der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15.09.1954 |