Ulrich Enzensberger liest aus der von ihm aufgezeichneten Autobiographie von Otto Rosenberg: Das Brennglas.

15-01-2013 (20:30)

Ulrich Enzensberger lässt Otto Rosenberg (1927-2001) erzählen:

 Lässt ihn erzählen, woher er und seine Familie kamen, wo er aufwuchs, erzählen vom Wohnwagen bei der Großmutter in Berlin, vom Zwangslager auf den Rieselfeldern von Marzahn, wohin er  als Kind - zusammen mit allen in Berlin greifbaren Sinti und Roma – im Jahre 1936 von SA und Polizei  verschleppt wurde. Otto Rosenberg berichtet auch von der Zwangsarbeit in Lichtenberg, vom Verschwinden seiner Mutter, von dem Tag, an dem er mit den Kollegen bei Dannemann & Quandt, Apparatebau, nicht mehr zusammen frühstücken durfte.

 Und er erzählt von jenem Brennglas, mit dem er bei seiner einsamen Brotzeit spielte. Dieses Brennglas bestimmte sein Schicksal: Seinetwegen wurde er verhaftet, kam ins Gefängnis kam und der damalige Leiter der  Dienststelle für Zigeunerfragen  im Berliner Polizeipräsidium in der Dirksenstraße entschied:  Der geht dahin, wo sein Vater und seine Mutter sind.  So fuhr Otto Rosenberg am 14. April 1943, wenige Tage vor seinem sechzehnten Geburtstag in einem Waggon voller Kinder nach Auschwitz:  „Aber Vater und Mutter habe ich dort nicht getroffen“. 

 Nuanciert und packend, lakonisch und bildhaft, bringt der geborene Erzähler, der fünfzig Jahre nach Zigeunerlager, Auschwitz, nach Buchenwald, Dora-Mittelbau und Bergen-Belsen, sein Schweigen brach, uns sein Schicksal und das seines Volkes nahe.

 Ulrich Enzensberger, der Rosenbergs Worte aufgezeichnet hat, stellt die lange erwartete, um viele Fotos bereicherte Neuauflage des Buches vor, von dem Edgar Hilsenrath 1998 sagte, es schließe eine Bildungslücke.

 

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