24-06-2014 (20:30)
Eine Kindheit in Gunzenhausen in Mittelfranken in den fünfziger Jahren, als Arztsohn in einer vomKrieg scheinbar unberührten, ins Wirtschaftswunder aufbrechenden Welt. Aber die scheinbare Idylle, als die der Autor diese seine Kindheit erfahren hat, täuscht, wie der junge Mann erfährt, als er der Provinz bereits den Rücken gekehrt hat und auf ein furchtbares Kapitel der Stadtgeschichte stößt: AmPalmsonntag 1934 fand hier das erste große Pogrom Nazi-Deutschlands statt; die SA hetzte unterBeteiligung eines erheblichen Teils der Bevölkerung gegen die jüdischen Bürger, zwei Männer kamen ums Leben. Die andere Entdeckung, die der junge Mann macht, ist die, dass der von ihm bewunderte amerikanische Schriftsteller J.D. Salinger nach Kriegsende im Ort stationiert war und als ein von denzuvor erfahrenen Erlebnissen an der Front schwer traumatisierter Mann nach Amerika zurückkehrte.
Thomas Medicus zeichnet aus Erinnerungen, Gesprächen und Dokumenten ein persönliches Porträtseiner Familie und seiner Heimatstadt von den Anfängen der Nazizeit über Krieg und Nachkriegszeitbis in die junge Bundesrepublik, und nimmt das mörderische Verbrechen nicht aus: Eine ebenso aufrichtige wie poetische Annäherung an das, was man Heimat nennt. Thomas Medicus, 1953 inGunzenhausen geboren, studierte Germanistik, Politikwissenschaft und Kunstgeschichte. Er warFeuilletonredakteur des „Tagesspiegel“ und stellvertretender Feuilletonchef der „FrankfurterRundschau“. Heute lebt er als freier Publizist in Berlin und Dolgie/Polen.