19-04-2012 (20:30)
Ralf Rothmann liest aus seinem im Suhrkamp Verlag erschienenen Erzählungsband
"Shakespeares Hühner"
In einer der neuen Erzählungen Ralf Rothmanns denkt Fritzi,
eine junge Gitarristin, über William Shakespeare nach und findet: »Verglichen
mit den Sorgen und Nöten seiner finsteren Gestalten sind wir eigentlich nur
Hühner oder? Shakespeares Hühner. Wir machen ein unglaubliches Gegacker um
lauter Kram – Prüfungen, Lockenstäbe, Handymarken, Geld –, und wissen insgeheim
doch alle, dass es nicht das Wahre ist. Dass nichts das Wahre sein kann hinterm
Hühnerdraht.«
Dramatische oder auch beglückende Wendepunkte im Leben schildert dieses Buch,
dessen Sprache durch eine magische Genauigkeit besticht, und ob wir nun vom
Selbstbetrug eines sterbenden Stasi-Beamten, von einer missratenen Orgie an der
Ostsee, vom Wiedererwachen einer Liebe in einem japanischen Kloster oder vom
Gedächtnis des Schnees hören: »Es ist ja nicht dieser oder jener Zustand, der
das Leben ausmacht«, sagt Fritzi. »Es sind die Übergänge, wie in der Musik.
Manchmal denke ich, sogar der Tod ist nur ein Akkordwechsel.«
Ralf
Rothmann, der unangefochtene Meister der langen wie der kurzen Prosa, hat
Erzählungen geschrieben, deren Realismus von der Sehnsucht nach dem
Unvermuteten befeuert wird, voller Humor und Empathie. Und deren Nachhall
verändert.
Ralf Rothmann wurde am 10.05.1953 in Schleswig geboren und wuchs im Ruhrgebiet auf. Nach der Volksschule (und einem kurzen Besuch der Handelsschule) machte er eine Maurerlehre, arbeitete mehrere Jahre auf dem Bau und danach in verschiedenen Berufen (unter anderem als Drucker, Krankenpfleger und Koch). Er lebt seit 1976 in Berlin.