LebensBilder mit Jürgen Tomm: "Der Stein der Narren oder das Reh aus Gips". Ein Porträt von Joachim Ringelnatz zur Erinnerung an Otto Sander.

17-12-2013 (20:30)

Der bedeutende Literaturkritiker Alfred Polgar fand, Ringelnatz habe den Stein der Narren entdeckt, der dem der Weisen zum Verwechseln ähnlich sehe, Polgars Kollege Franz Blei nannte ihn 1922 einen "Zyniker mit Heiligenschein". Der Schauspieler Otto Sander sprach seine Verse, wie es nur ein wahrhaft Seelenverwandter konnte...

 Was für ein abenteuerliches Leben! Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts war Hans Bötticher zunächst Seemann und lebte dann von Gelegenheitsarbeiten, oft am Rande der Not. 1909 wurde er unter dem Namen Ringelnatz Hausdichter und Kabarettist im Schwabinger Künstlerlokal "Simplizissimus", leben konnte er davon nicht, auch nicht von seinen ersten Publikationen z.B. über seine Zeit als Marineleutnant im 1.Weltkrieg. Er wurde aber immer bekannter, war als reisender Vortragskünstler unterwegs, erwarb auch Lob als Maler - die finanziellen Sorgen wurden er und seine Frau "Muschelkalk" nicht los, erst recht nicht, als ihm die Nazis Auftrittsverbot erteilten. Unterstützt von Freunden starb er 1934 an Tuberkulose. Seine skurri-le Lyrik, seine melancholischen Verse und die Auftritte als Kuttel Daddeldu überlebten ihn und die Nazis und werden bis heute geliebt.

 Niemand hat sie später so subtil-komisch vorgetragen wie Otto Sander, mit einer Mischung aus Wehmut und leisem Aufbegehren, die hinter der Fassade des Ulks so etwas wie eine sehnsüchtige Anarchie aufscheinen lässt. Der Mitschnitt von Otto Sanders denkwürdiger Lesung bekannter und unbekannter Ringelnatz-Texte im Buchhändlerkeller in Bild und Ton ergänzt den biografischen Rahmen.

 

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