09-08-2023 (20:00 - 21:00)
Der bedeutende Literaturkritiker Alfred Polgar fand, Ringelnatz habe den Stein der Narren entdeckt, der dem der Weisen zum Verwechseln ähnlichsehe. Polgars Kollege Franz Blei nannte ihn 1922 einen "Zyniker mit Heiligenschein".
Was für ein abenteuerliches Leben! Nach 1900 war Hans Bötticher zunächst Seemann und lebte dann von Gelegenheitsarbeiten, oft am Rande der Not. 1909 wurde er unter dem Namen Ringelnatz Hausdichter und Kabarettist im Schwabinger Künstlerlokal "Simplizissimus". Er wurde allmählich immer bekannter, war als reisender Vortragskünstler unterwegs, veröffentlichte, erwarb auch Lob als Maler - die finanziellen Sorgen wurden er und seine Frau "Muschelkalk" trotzdem nicht los, erst recht nicht, als ihm die Nazis Auftrittsverbot erteilten. 1934 starb er an Tuberkulose. Seine skurrile Lyrik, seine melancholischen Verse und die Auftritte als Kuttel Daddeldu überlebten ihn und die Nazis und werden bis heute geliebt.
Niemand hat sie später so subtil-komisch vorgetragen wie Otto Sander, mit einer Mischung aus Wehmut und leisem Aufbegehren, die hinter der Fassade des Ulks eine sehnsüchtige Anarchie aufscheinen lässt. Der Mitschnitt von Otto Sanders denkwürdiger Lesung bekannter und unbekannter Ringelnatztexte im Buchhändlerkeller in Bild und Ton ergänzt den biografischen Rahmen.