30-05-2017 (20:30)
Gudrun Ensslin gehörte zur Führungsspitze der RAF und war
zugleich weit mehr: eine literarisch hochgebildete Person. Umfassend beschreibt
die Autorin Ensslins geistige wie politische Entwicklung und zeigt, wie aus dem
intellektuellen Bürgertum des Nachkriegsdeutschlands gewaltbereite
Radikalisierung möglich war.
Im Mittelpunkt dieser Biographie steht eine extreme Person und ihr extremer
Lebensweg. Ingeborg Gleichauf räumt mit den gängigen Klischees und Vorurteilen
auf, die Gudrun Ensslin als Produkt eines provinziellen Pastorenhaushalts
sehen. Sichtbar wird vielmehr eine vielseitig begabte Persönlichkeit der
Zeitgeschichte. Souverän schildert die Autorin die Zeitumstände, die die
Entwicklung einer Gewaltbereitschaft begünstigt haben. Ensslins Lebensweg prägten
nicht sie allein. Ihre intensive Schreibtätigkeit und die Literaturbegeisterung
waren zentral für ihre Weltanschauung. Die Autorin zeichnet alle
Lebensstationen nach und widmet sich ausführlich den bisher vernachlässigten
Kindheits- und Jugendjahren Ensslins. Eindringlich schildert sie Ensslins
Beziehungen. In einer besonderen Verbindung von Erzählung und Analyse gelingt
es ihr, uns eine ebenso schwierige wie vielschichtige Person nahezubringen, die
unsere Gesellschaft radikalverändern wollte.
Ingeborg Gleichauf geboren 1953, studierte Philosophie und Germanistik und promovierte über Ingeborg Bachmann. Unter ihren zahlreichen Veröffentlichungen finden sich erfolgreiche Biographien über Max Frisch, Hannah Arendt und Simone de Beauvoir. Sie lebt in Freiburg.