Flaneure in Berlin und anderswo: "Robert Walsers Berliner Jahre in seinen Romanen und Feuilletons"

18-09-2012 (20:30)

Im Frühling 1905 stand der junge Robert Walser zum dritten Mal auf dem Anhalter Bahnhof, endgültig entschlossen, in der quirligen deutschen Metropole den Durchbruch als Schriftsteller zu schaffen. Wo, wenn nicht hier, "wo der Lebenskampf regiert", mussten sich ein Verleger und nicht zuletzt ein breites Leserpublikum finden. Er wohnte bei seinem Bruder, dem erfolgreichen Maler und Bühnenbildner Karl Walser. Mit dessen Hilfe wurde er Autor des Verlags Bruno Cassierer, fand in Morgenstern oder Kafka Bewunderer für seinen ersten Roman "Geschwister Tanner" und veröffentlichte in Berlin bis 1912 auch noch die Romane "Der Gehülfe" und "Jacob van Gunten". Nur: Ein breites Leserinteresse fand er nicht. Zunehmend fühlte er sich auch im Literaturbetrieb,  diesem Jahrmarkt der Eitelkeiten, nicht mehr wohl, floh, von Depressionen gepeinigt, zurück in die Stille seiner Schweizer Heimat.

 

Spuren von Robert Walser kann man im heutigen Berlin kaum finden. Und genau dafür hat die Edition A∙B∙Fischer die Reihe "Wegmarken" eröffnet: wenn Originalwohnadressen nicht mehr vorhanden oder nicht zu besuchen sind, eventuell auch nie existiert haben, weil der Künstler meist aus dem Koffer lebte. Mit knappem Text, zum Teil unveröffentlichten historischen Photographien und neuen Aufnahmen entsteht in sorgfältiger Ausstattung eine geistige Landschaft, die man dann im Werk nacherleben kann. Überraschende Recherche der Autorin des  Walser-Bandes, Gudrun Ortmanns: Der schüchterne Walser hielt sich nicht selten in "anrüchigen" Etablissements und Tingeltangeln der oberen Friedrichstraße auf.

 

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