15-05-2014 (20:30)
Kindheit ist vorüber, aber erlöst ist das Mädchen deshalb noch
lange nicht. Nach ihrem hochgelobten Roman »Das Mädchen« schreibt Angelika
Klüssendorf die Geschichte ihrer jungen Heldin fort. Ihr Weg führt aus einer
Jugend ohne Jugend in ein eigenes Leben – das den Umständen abgetrotzt werden
muss.
Am Anfang stehen ein Koffer mit ihren spärlichen Habseligkeiten und ein Zimmer
zur Untermiete. Das Mädchen, das sich mittlerweile April nennt – nach dem Song
von Deep Purple –, hat die Zeit im Heim hinter sich, die Ausbildung abgebrochen
und eine Arbeit als Bürohilfskraft zugewiesen bekommen. Zwischen alten Freunden
und neuen Bekannten versucht sie sich im Leipzig der späten 70er-Jahre zurechtzufinden,
stößt dabei oft an ihre eigenen Grenzen und überschreitet lustvoll alle, die
ihr gesetzt werden, am Ende mit ihrer Ausreise auch die zwischen den beiden
Deutschlands. Aber jedem Ausbruch folgt ein Rückfall, jedem Glücksmoment eine
Zerstörung, jedem Rausch die Ernüchterung. Und immer ist da die Frage nach den
Kindheitsmustern, der Prägung durch die verantwortungslose Mutter und den
alkoholkranken Vater.
Angelika Klüssendorf ist ein weiteres Meisterwerk gelungen. Ohne Pathos,
nüchtern und souverän erzählt sie von einem Weg aus der scheinbar ausweglosen
Vergangenheit – mit psychologischem Feingefühl und klarem Blick für die
gesellschaftlichen Zustände. Es entsteht ein Doppeltes: ein erschütternder
Adoleszenzroman und ein nüchternes Porträt der sozialen Zustände im
untergegangenen real existierenden Sozialismus – und im West-Berlin der frühen
80er-Jahre.
Angelika Klüssendorf, geboren 1958 in Ahrensburg, lebte von 1961 bis zu ihrer Übersiedlung 1985 in Leipzig; heute lebt sie in Berlin. Sie veröffentlichte unter anderem die Erzählungen Sehnsüchte und Anfall von Glück, den Roman Alle leben so, die Erzählungsbände Aus allen Himmeln und Amateure sowie zuletzt den Roman Das Mädchen .