Programm

04-04-2023 (Dienstag)

Kerstin Hensel stellt den Roman „Steinstücken“ von Rolf Haufs vor

20:00 - 21:30

Rolf Haufs, der im Sommer 2013 starb, ist als Lyriker und Verfasser von Prosa, Kinderbüchern und Hörspielen vielen in lebhafter Erinnerung. Auch als Leitender Redakteur für Literatur beim Sender Freies Berlin (1972-1999) hat er die literarische Landschaft Berlins massgeblich mitgeprägt. Seit 1987 war er Mitglied der Akademie der Künste, von 1997 bis 2009 als Stellvertretender Direktor der Sektion Literatur. Auch dass er, als er 1960 aus dem Rheinland nach Westberlin kam, zunächst in Steinstücken gelebt hat, geisterte als On-dit in der Literaturszene der Stadt herum. Aber wer wußte von dem danach benannten Roman? Kerstin Hensel ist es zu verdanken, dass dieses besondere Werk einer außergewöhnlichen Berliner Lebens- und Arbeitssituation, versehen mit einem einfühlsamen Nachwort aus ihrer Feder, nun erscheint und Erinnerungen an die Geschichte der einstigen Frontstad aus einer exquisiten Perspektive weckt. 

Schon der Anfang des Romans, in dem sich Georg, der Protagonist der Handlung, im frühmorgendlichen Winternebel auf seinen täglichen „Weg nach drüben“ begibt, versetzt den Leser unmittelbar zurück in eine Zeit, die lange zurückzuliegen scheint. Halbwach und voll auf der Hut gegenüber einer nicht genau berechenbaren Situation und ihren Folgen vermittelt Georg dieses diffuse Gefühl zwischen Unwägbarkeit und Gefährdung, das jeden, der sich aus Westberlin in den Ostteil oder gar in die „Zone“ begab, überkam. Changierend zwischen realistischen Schilderungen und poetischen, teilweise bedrohlichen Landschaftsbeschreibungen wird man von dem die Zeit beherrschenden gesellschaftlichen Klima unmittelbar erfasst. Aber Rolf Haufs erweist sich auch in dem Roman als der feinsinnige, phantasiereiche Poet, als der er in lebhafter Erinnerung geblieben ist.

Rolf Haufs, 1935 in Düsseldorf geboren, machte nach dem Besuch des neusprachlichen Gymnasiums eine kaufmännische Lehre und arbeitete zunächst als Exportkaufmann. Nach seinem Umzug nach West-Berlin widmete er sich ausschließlich der Literatur, als frei schaffender Dichter und als Redakteur für Literatur im Sender Freies Berlin von 1972 bis 1999. Seine Lyrik ist dem modernen, sachlichen Impetus verpflichtet. Obwohl er auch Kinderbücher, Prosa und Hörspiele schrieb, machen die Gedichtbände den größten Teil seines Gesamtwerks aus. Und doch ist es ein Roman, der in schicksalhafter Ironie sein Lebenswerk abschließt: Sein allererster Gedichtband erschien 1962 und trug den Titel „Straße nach Kohlhasenbrück“. So schließt sich mit dem Roman „Kohlhasenbrück“ ein Lebenswerk auf sinnfällige Weise.